„Weltenlenker“ die Skulptur auf dem Festplatz in Freiburg-Hochdorf
Das Motiv eines Weltenlenkers, der über das Geschick der Welt als Souveräner verfügt, findet sich in unterschiedlicher Ausgestaltung in vielen Mythen, Sagen und Religionen. In der römischen Mythologie beispielsweise findet sich die Erzählung von den Parzen, den drei Schicksalsgöttinnen, die den Lebensfaden der Menschen in ihren Händen halten. Auch die monotheistischen Religionen kennen eine den Menschen und die Welt lenkende Macht. JHWH, der als absolut Souveräner die Welt ins Dasein ruft und der in der Geschichte des Volkes Israel der bleibt, der das Meer teilt und sein Volk „mit starker Hand und ausgestrecktem Arm“ aus der Sklaverei führt. Oder der kosmische Christus als Pantokrator, als Allherrscher, der, besonders in der byzantinischen Ikonographie, als königlich thronend dargestellt wird.
Die Darstellung des Weltenlenkers in der gleichnamigen Skulptur ist jedoch weder ein abstraktes Souveränes, noch eine königliche Gestalt. Auf einer Kugel steht eine Gestalt in gebeugter Stellung. Ihr Gesicht ist undurchschaubar – ist es milde? Ernst? Berechnend? Die Haare, die wie Flammen den Kopf umtanzen, fallen auf das weite Gewand. Die Hände, zusammengeführt wie zu einer andächtigen Pose, halten stählerne Fäden gebündelt in der Hand. Fäden, die sichern, halten, behüten, schützen, lenken.
An den Fäden verschiedenste Dinge: Flugzeug, Baum mit brüchiger Wurzel, Atomkraftwerk, Naturgewalt, Menschenfiguren, Euro, Herz… Scheinbar stabil, sicher getragen von den stählernen Seilen. Trügt dieser Schein? Schwebt es nicht vielmehr wie ein Damoklesschwert über dem dörflichen Alltagsleben, welches in der vermeintlichen Sicherheit seinen gewohnten Lauf nimmt?
Trotz gebrochenen Wurzeln wird der Baum gehalten (in der Mitte der Skulptur). Dies soll an das Beinahe-Unglück im Jahr 2014 erinnern. Damals fiel eine riesige Eiche drei Tag nach dem beliebten Waldhock in einer windstillen Nacht mitten auf den Platz. Am Sonntag, als das Fest noch in vollem Gange war, hatte es ein heftiges Unwetter mit massiven Sturmböen gegeben. Diese hatten die Eiche jedoch nicht während des Festes zum Fallen gebracht, ein großes Unglück fand wie durch ein Wunder nicht statt.
An einem Faden hängt ein Herz, vielleicht ein Symbol für die Liebe. Die Begegnung zweier Menschen, dich sich kennen und lieben lernen, wirkt manchmal wie eingefädelt, vorherbestimmt – gelenkt? Aber, kann man sicher sein, dass die Liebe hält? Dass dieser Faden nicht auch abreißt und das Herz ungebremst in die Tiefe fällt? Eben diese Deutung eröffnet sich auch, begreift man das Herz als Symbol des Lebens. In der hebräischen Bibel ist ,leb‘, das Herz, der Sitz des menschlichen Lebens, mit seinen Gefühlen, seinem Wollen und Streben. Doch auch dieses Leben „hängt am seidenen Faden“, schwebt schutzlos über dem Boden, einzig gehalten von der Hand des Lenkers – und wenn er loslässt…? Das Herz am Faden bringt die Zerbrechlichkeit und die radikale Kontingenz unseres Lebens ins Bild, es verdeutlicht die Machtlosigkeit, mit der wir ihm gegenüber stehen – nicht wir verfügen über unser Leben, wir haben die Fäden nicht in der Hand.
Diese Überlegung konkretisiert sich, betrachtet man die Rückseite der Kugel, auf, oder besser – über der eine weitere Gestalt sitzt. Die Twin Towers von New York, der Eiffelturm, welcher als Zeichen für den Terroranschlag von Paris im vergangenen November zu verstehen ist – sie sind Mahnung für die Zerstörbarkeit des Lebens, für die sinnlose Grausamkeit und für das Leid und den Schmerz dieser Welt. Und sie brechen in ihrer Aktualität uralte Fragen wieder auf: Ist dies Schicksal gewollt, gelenkt? Wo ist der Weltenlenker? Schaut er nicht hin? Ist er doch nicht mächtig zu lenken, die Fäden zu führen? Ist er vielleicht grausam, ein Tyrann, ein willkürlicher Despot? Oder alles doch nur blinder Zufall?
In Verzweiflung und Machtlosigkeit über diese Ereignisse hält die Gestalt in der rechten Hand ein gerissenes Stahlseil. Die einzelnen Fäden laufen ins Leere, die andere Hand ratlos an den Kopf und auch sein Blick starrt fassungslos auf die außer Kontrolle geratenen Geschehnisse. So auch aktuell der Flüchtlingsstrom, der die Politik der „weltlichen Weltenlenker“ überfordert und der die Egozentrik jener zum Vorschein bringt, die, obwohl sie nicht selten im Überfluss leben, nicht teilen wollen. Trotz der abwehrenden Haltung vieler Menschen, die durch die erhobenen, von sich weisenden Hände und der Mauer veranschaulicht wird, gibt es dennoch Menschen, die einer flüchtenden Familie helfend die Hände entgegenstrecken. Als Symbolcharakter dieser Hoffnung steht der Patron der Kirchengemeinde Hochdorfs: St. Martin.
Darüber winden sich 4 Bahngleise nahe der Häuser. Der geplante Bau des 3. und 4. Bahngleises, der derzeit die Gemüter der Menschen bewegt. Vielleicht schwingt unter anderem auch die Sorge mit, dass sich eine fast vergessene Katastrophe, wie im vorletzten Jahrhundert hier ganz in der Nähe, wiederholen könnte.
Auch eine Spirale ist auf der Kugel dargestellt. Sie, das Symbol für Unendlichkeit umfängt alle anderen Symbole, schließt sie ein in den Strudel, der nach innen führt. Auch das Kreuz, das Zeichen des Christentums und Halbmond und Stern, die den Islam symbolisieren, sind in der Spirale, stehen dort nebeneinander. Ein Zeichen des Dialogs, des Miteinanders? Oder der Konfrontation, in der die scheinbare Unvereinbarkeit überwiegt und der Konflikt, vermeintlich im Namen Gottes, mit blutiger Gewalt ausgetragen wird – mit Schlachtross und Sprengstoffgürtel?
Eine mögliche Deutung ist, dass in diesem Bild alles eingefügt ist und in die gleichmäßige, klare und symmetrische Ordnung der Spirale – eine Dimension von Wirklichkeit, die das, was wir Realität nennen, umgibt, umfängt, auffängt, mit Sinn erfüllt und in die Unendlichkeit hineinträgt.
t.s. rees Weihnachten 2015
Motive Nordost (Vorderseite), von unten nach oben: Fassanstich durch die Bürgermeisterin der Partnerstadt und Ortsvorsteher, Mooskrott, Forstmann,
Piktogramme für die 11 Gründervereine des Hocks auf dem Festplatz
die 3 Geißen, damit die, die immer was zum meckern haben auch gewürdigt werden, Wadenbeißer, Waldarbeiter
an den Drahtseilen: Kernkraftwerk Fessenheim, Flugzeug, Blitz,/ Naturgewalten, die Eiche mit gebrochenen Wurzeln, Menschenwege, das Herz, der Euro,
kleine Gestalten auf verschlungenen Wegen in den Verästelungen des Baumes, die Weltkugel, der Weltenlenker 1
Motive Südwest (Rückseite) von unten nach oben: Krieg, Zerstörung, Not, Flüchtlingsströme, das Boot
die Flüchtlinge und die Haltung von uns gut versorgten Bürgern in ihrer Gegensätzlichkeit..
Containerdorf, historische Gestalt des St. Martin, Patron der Kirchengemeinde
das 3. und. 4. Gleis, IGEL, Dorf mit Kirche, Eisenbahnunglück 1882
Weltkugel, Spirale, New York/ Twin-Towers, Paris/ Eifelturm, Atomium, Weltreligionen
Weltenlenker 2, gerissenes Stahlseil…
die Skulptur – Material: Eichenholz – Alter des Baumes: über 200 Jahre – Höhe etwa 8 Meter – Gewicht: 7,5 Tonnen – Durchmesser: unten etwa 1 Meter, oben Wurzeldurchmesser 3,50 Meter – Fundament: 8 Tonnen Stahlbeton – Dach: Stahlrohr und Glas, Fläche etwa 10m²
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