„Loretta“ – von Keuschheit und Begehren
auf dem Weg in die Metropolregion Stuttgart. – 12.07.2021 – und manchmal denke ich an den von Berlichingen.
In einem Umfeld ohne Gift – für ein paar Tage zurück zu den Wurzeln – am 6.Juni 2021
Wir leben nicht in einer heilen Welt und Werke nur nach allgemeiner Gefälligkeit zu schaffen, entspricht nicht meiner Vorstellung von Kunst. Kunst kann, darf und muss Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen sein – die Freiheit der Kunst, aber auch die Freiheit der Rede sind nicht umsonst das Fundament jeder freien Gesellschaft. Jedoch bietet die Skulptur offensichtlich in ihren Interpretationsmöglichkeiten zu viel Brisanz und ich möchte nicht, dass das Freiburger Lorettobad weiterhin einer derart polarisierenden Diskussion ausgesetzt ist.
Den entstandenen Streit und die Rolle einer Zeitung und einer gewissen Kommission dabei empfinde ich als äußerst fragwürdig und bedauerlich.
Die Regiobäder GmbH als Betreiberin des Lorettobades und die Stadt haben mein Rücknahmeangebot angenommen. Die Skulptur werde ich in absehbarer Zeit aus dem Lorettobad entfernen.
Thomas Rees 25.06.2021
In Ovids Metamorphosen verschmähte die Najade Syrinx die Liebe des Hirtengottes Pan*. Auf der Flucht vor ihm verwandelte sie sich in ihrer Not in Schilfrohr. Als der frustrierte Gott daraufhin das Schilf umarmte und sein Atem hindurch strich, entstand ein süß-zarter, klagender Ton. Um seiner Geliebten immer nahe zu sein, schnitt der Pan daraufhin das Schilfrohr und band es zu einer Flöte – damit war die Syrinx oder auch Panflöte genannte Hirtenflöte erfunden.
Soweit zu dieser alten Geschichte aus der griechischen Mythologie…
Auch hier im Lorettobad hat sich wohl Ähnliches zugetragen. Doch „Loretta“, der für ihre Schönheit und Keuschheit bekannten Najade* vom Hölderle Bach, ist das Schicksal der Syrinx erspart geblieben. Denn die Zeiten haben sich geändert – die Macht der alten Götter ist verblichen. Wie man sieht, musste sie sich nicht in Schilfrohr verwandeln. Im Gegenteil: Frei und selbstbestimmt überblickt sie die Szenerie. Dem Pan aber bleibt nichts anderes, als zusammengesunken zu ihren Füßen weiterhin wehmütig auf seiner Schilfflöte zu spielen.
Das sind auf den ersten Blick zwei nett zu lesenden Geschichten. Beim Freilegen, der Botschaft, die die Skulptur vermitteln soll, ergeben sich jedoch tiefgründige Interpretationsmöglichkeiten. Vieles aber liegt wohl nicht nur im Auge, sondern wie hier, vor allem an der inneren Dienlichkeit des Betrachters. Man sieht was man sehen will.
Der Pan wurde sehr bewusst ein Teil der Skulptur. Er ist aus heutiger Sicht ein Lüstling, ein Stalker, ein Besitzergreifender, mit einem Frauenbild, das im 21. Jahrhundert eine absolute Unmöglichkeit darstellt. Von den griechischen Gottheiten war er wohldem noch einer der harmloseren. In der Skulptur steht (kauert) er stellvertretend für etwas, das keine Macht haben darf, nicht sein darf – aber offensichtlich noch immer ein enormes Problem darstellt.
Die Wassernymphe Loretta, mit all ihren Reizen – wie der Pan kein reales Wesen – hat sich frei und selbstbestimmt über die Dominanz der Männerwelt erhoben.
Thomas Rees im Mai 2021
*Der Pan – Hirtengott, Gott des Waldes und der Natur, Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock. Das Wort Panik ist von ihm abgeleitet – plötzliche Angst (Panik) in der freien Natur, hervorgerufen durch dessen Anwesenheit.
Derr Pan, die Syrinx, die Loretta, die Blume – das sind nur vier der Metapher in der Skulptur.
Hier eine Abhandlung zu: Vergewaltigung in antiker Mythologie: Göttliche Gewalt und jungfräuliche Opfer
In der Antike wurden Frauen als mangelhafter Gegenpart zum Mann gesehen. In den Mythen zeigt sich das in der Rolle der Frau als Vergewaltigungsopfer und Spielzeug der Götter ……
von Kristina Göthling, 10. April 2019,
*Die Najaden sind Nymphen in der griechischen Mythologie, die über Quellen, Bäche, Flüsse, Sümpfe, Teiche und Seen (Schwimmbäder) wachen.
Ovid war ein antiker römischer Dichter. Um 1 n. Chr. schrieb Ovid sein Hauptwerk: Die „Metamorphosen“, in denen alte Sagen reich ausgeschmückt neu erzählt werden.
Die Anemone steht für Schönheit und Vergänglichkeit.
Die fünfte Hand.
Der Voyeur.
In der mittelalterlichen Kunst wurde der Pan zur Inspiration für die Darstellung des Teufels.
Die Bocksfüße und die Kopfhörner des Hirtengottes, die als Zeichen des dionysischen Rauschs und der Lust eigentlich positiv konnotiert waren, erfuhren bei der Übernahme in die christliche Ikonographie eine Umdeutung zur negativ belegten Wollust.
Das Lorettobad, im Stadtteil Wiehre der Stadt Freiburg im Breisgau, ist das älteste Familienfreibad Deutschlands. Seine Besonderheit ist eine teilweise Geschlechtertrennung. So gibt es zwei völlig getrennte Bereiche: Ein Familienbad, aber auch ein reines Damenbad. Es ist das einzige Schwimmbad in Deutschland, das noch ein separates Damenbad hat.