Homo faber – der schaffende Mensch.
Der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Umwelt und auch sich selbst gestaltet. Sichtbar gemacht wird dies in der Figur des Homo Faber durch Hammer und Meißel, mit deren Hilfe die menschliche Gestalt, konzentriert und selbstvergessen, sich aus dem Baumstamm herausarbeitet. Das deutlich sichtbare Gehirn symbolisiert sein schier unbegrenztes schöpferisches Potential, durch welches er seiner Umwelt und sich selbst Konturen verleiht und formt.
Ebendiese Selbstformung geschieht auch durch den Einsatz von Technik, mit deren Hilfe der Mensch seine Fähigkeiten verbessern, seine Grenzen überschreiten möchte. Besonders deutlich wir dies an den Grenzen des Lebens, welche durch technische Verfahren und Eingriffe formbar und, so die Hoffnung, kontrollierbar gemacht werden sollen. Für diese stehen der Embryo auf der Vorderseite sowie der Totenschädel auf der Rückseite der Figur. Jedoch erweist sich die Hoffnung die Grenzpunkte menschlichen Lebens durch technische Intervention kontrollierbar zu machen, allzu oft als trügerisch. Der Endlichkeit und Fragilität des menschlichen Lebens ist auch durch Technik, durch das menschliche Schaffen nicht aufgehoben und bleibt somit auch im 21ten Jahrhundert die Grenze, mit der der Mensch unweigerlich konfrontiert ist. Auch dieser Gedanke findet sich in der Skulptur, wieder, indem sie den Lebensbogen des Menschen nachzeichnet: vom hilflosen Embryo, zum handelnden, kreativen und aktiven Menschen hin zu dessen Tod, – die Werkzeuge, Hammer und Meißel bleiben zurück.
So kann die Figur des Homo faber als Plädoyer gegen die einer vermeintlichen Planbarkeit und Beherrschbarkeit des Lebens verstanden werden. Ähnlich wie der Protagonist des gleichnamigen Romans von Max Frisch schmerzhaft erfahren muss, dass alle Wahrscheinlichkeiten und Berechenbarkeiten vom Leben und dessen schicksalhaften Fügungen unbarmherzig zermalmt werden, erkennt der Betrachter/die Betrachterin in der Skulptur die Begrenztheit menschlicher Schaffens- und Gestaltungskraft. Diese Erkenntnis verhindert eine zerstörerische Hybris, in welcher sich der Mensch als unverwüstlich und mächtig wähnt – mit teilweise verheerenden Folgen für das Zusammenleben und die Umwelt. An ihre Stelle kann eine Haltung der Demut treten. Im wissenden Annehmen der eigenen Begrenztheit weiß der Mensch sich selbst als verwundbar, als angewiesen auf Andere, als nicht losgelöst von der Welt, in der er lebt – deswegen gilt es auch in seinem Schaffen Verantwortung für diese zu übernehmen.
Sarah Scotti im Dezember 2019
geschaffen von Thomas Rees, Eichenholz, Alter 220 Jahre, Höhe 4,35 Meter, Durchmesser 1,20 Meter, Gewicht vor der Bearbeitung etwa 3,5 Tonnen
Die Skulptur ist Teil des Themenweges Lebensraum Kappel, MENSCH-ZEIT-ERDE, im Biosphärengebiet Schwarzwald, das zum UNESCO Naturerbe gehört. Es ist ein Projekt der Stadt Freiburg, des Kunst- und Kulturvereins Freiburg-Kappel und wird gefördert durch das Biosphärengebiet Schwarzwald .
Der Begriff Homō faber (lat., ‚der schaffende Mensch‘ oder ‚der Mensch als Handwerker‘) wird in der philosophischen Anthropologie bnutzt, um den modernen Menschen von älteren Menschheitsepochen durch seine Eigenschaft als aktiver Veränderer seiner Umwelt abzugrenzen. – Auszug aus Wikipedia
die Skulpturen des Themenweges:
Erderwärmung und der Biosphärenteufel Baum der Erkenntnis Anima Mundi, die Weltseele Coronus BIOS – Wunder des Lebens die Sammlerin, Hexe von Kappel der schaffende Mensch, Homo faber