Die Sage von Ritter Kuno von Falkenstein
eine Betrachtung von Uli Führe
Opfer für den Kinderwunsch
Zu allen Zeiten erlebten Paare, dass ihr Kinderwunsch nicht erfüllt wurde. Mit Gebeten, Ritualen und Opfergaben versuchten sie das Schicksal zu beeinflussen.
So gingen es auch Ritter Kuno und seiner Frau Ida. Sie wünschten sich lange Zeit schon einen Erben – wohl männlich. In der Hoffnung, dass das Schicksal gewendet werden könnte, machte sich Kuno auf und schloss sich einem Kreuzzug an. Eine derartige Reise war zugleich Bußgang für etwaige Sünden und Kriegszug gegen die Muslime.
Die Zahl Sieben
Kuno sagte beim Abschied, seine Frau möge sieben Jahre auf ihn warten. Wenn er dann noch nicht zurück sei, dann könne sie einen anderen heiraten. Er teilte mit dem Schwert den Ehering, gab eine Hälfte seiner Frau, die andere Hälfte nahm er mit.
Diese Legende wird mit der Zahl sieben in eine höhere Ordnung gestellt. Die Sieben steht für Erleuchtung, Weisheit, gewissermaßen auch für Vollkommenheit. Die Woche mit sieben Tagen entspricht dem Mondzyklus, der siebenarmige Leuchter der Juden steht (u.a.) für die vier Himmelsrichtungen, die Weitung nach oben und unten, und zuletzt der Weg nach innen. Bei den kanadischen Natives der Ojibwe hat die Zahl dieselbe Bedeutung.
Der Teufel
Spannend ist die Rolle des Teufels in der Legende. Er, der Gegner des Göttlichen, bot Kuno Hilfe an und hoffte auf die Seele des Ritters. Kuno nahm in seiner Verzweiflung das Angebot an, ohne zu wissen, ob er der Prüfung gewachsen wäre. Doch der Teufel hatte die Rechnung ohne das Numinose, der göttlichen Kraft, gemacht. In dieser Legende wird schon 600 Jahre vor Goethes Faust 1 die Erkenntnis von Mephistopheles vermittelt: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Ohne den Teufel hätte Kuno den Rückweg innerhalb der Frist niemals geschafft. Aber der Gegner hatte sich verspekuliert.
Der Falke
Kuno wurde in Palästina gefangen und eingesperrt. Es gelang ihm die Flucht am letzten Tag der Sieben-Jahres-Frist. Der Teufel tauchte auf und bot ihm einen Pakt an: Kuno dürfe auf einem Löwen zurückfliegen, doch sollte dabei einschlafen, dann gehörte dem Teufel seine Seele. Kuno wurde schläfrig, es tauchte ein Falke auf, der ihn immer wieder mit seinem Flügelschlag am Einschlafen hinderte. In der Minnelyrik von Der von Kürenberg (12 Jhd.) heißt es: „Ich zog mir einen Falken länger als ein Jahr… Gott sende sie zusammen, die einander liebhaben wollen.“ Er wird ob seiner Schnelligkeit gelobt und er gilt als der Vogel der Krieger. (heute politisch: Falken und Tauben) In Ägypten wird der Falke mit dem Gott Horus in Verbindung gebracht und verkörpert die Kraft des Himmels.
Der Ring
Die Frau hatte die Hoffnung auf die Rückkehr Kunos verloren und wollte an jenem letzten Abend der Frist heiraten. Und so wie Odysseus bei seiner Rückkehr zu Penelope in seinem armseligen Gewand nicht erkannt wurde, so nahm beim Fest auch niemand Notiz von dem Mann im Pilgergewand. In beiden Legenden kommt die Gastfreundschaft zum Tragen: Odysseus im Bettlergewand sollte neue Kleider bekommen und dem ärmlichen Ritter Kuno bot man Wein von der Hochzeitstafel an. Kuno gab den leer getrunkenen Becher zurück und hatte seine Ringhälfte hineingelegt. Ida erkannte die Ringhälfte. Sie legte ihre Hälfte dazu und die Teile verschmolzen zur Einheit. Die runde Form des Rings steht für Ewigkeit, Treue und Verbundenheit.