Zeitreise durch das Bildungssystem – in einer Skulptur
Lange lag das Kronenstück der über 400-jährigen Gerichtseiche oben am Kastellberg auf der Erde. Vom Zahn der Zeit gewaltig gezeichnet, ca 3,50 Meter hoch und über 1 Tonne schwer. Wie sollte man aus diesem Kronenstück eine Skulptur fertigen? Schließlich ist es kein neutrales Stück Holz, dazu schlecht zu verplanen, schwierig zu bearbeiten und doch gerade deshalb wie ein Spiegel der Geschichte. Nur, das Bildungssystem des 21.Jahrhunderts in einem alten, morschen Baum darzustellen, dies könnte leicht zu Mißverständnissen führen. Auch deswegen stellen die ins Holz eingearbeiteten Motive eine kleine Zeitreise dar – beginnend im 16.Jahrhundert. Die in der obigen Fotomontage wiedergegebenen Motive zeigen den Zustand vom 26.7.2008: Noch unfertig, sich noch verändernd.
Die Schülerinnen und Schüler werden die Motive suchen, hinterfragen, deuten und interpretieren. Lassen wir uns überraschen.
Der Trichter: Die Redewendung „etwas eingetrichtert bekommen“ wurde schon in der Zeit um 1541 in Sprichwörtersammlungen erwähnt. Durch das Werk des Nürnberger Dichters Georg Philipp Harsdörffer im Jahr 1647 wurde der Nürnberger Trichter weit bekannt und ist hunderte Jahre später eine immer noch gängige Redewendung. Der Nürnberger Trichter als eine nicht ernst gemeinte Art des Lehrens und Lernens: Selbst dem dümmsten Schüler mithilfe eines Trichters das Wissen einzubringen – mechanisiertes Lernen, ohne Mühe und Not. Ein Traum, damals wie heute. Die Darstellung des Lehrers ist, wie das Holz des alten Baumes, ein Relikt aus längst vergangener Zeit: Knorrig, brüchig und doch streng, mit harter Hand, drohendem Stock, Buchstaben und Zahlen in den Trichter pressend – ein sichtbar erfolgloses System.
Das Ohr: Das mit Macht eingestopfte Wissen quillt aus den Ohren des Schülers heraus und verschwindet in den morschen Höhlen des Baumes
Der Weg: Der Weg zur Schule, nicht immer ganz freiwillig
Der Schüler: Er ist kein Engel und kein Musterknabe.
Die Leiter: Im 21. Jahrhundert haben sich Zeiten und Methoden verändert. Vertrauensvolle Beziehung zwischen Schülern und Lehrer. Mit Unterstützung und Freude lernen, um den gemeinsamen Weg in die Welt über die manchmal recht steile Bildungsleiter zu erklimmen.
Die Hände: In eine Welt, in der Wissen, Verstehen und Toleranz immer wichtiger werden. Eine zusammenwachsende Welt. Eine Welt voller Verbindungen, Licht und Sonne.
Der Teufel: Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. In dem morschen, dunklen Bereich des Baumes sitzt ein kleiner Teufel mit einer Angel in der Hand. Schnur und Haken baumeln im Licht der Sonnenstrahlen über der symbolisierten Welt. Es gibt nicht nur Buntpapier und Schmetterlinge auf der Welt, sondern auch Versuchungen und Gefahren.
Das Brett: Im Mittelalter schützten die Schmiede ihre Augen vor Funken und Hitze, indem sie sich ein Brett mit schmalen Sehschlitzen vor das Gesicht hielten. Um ein Werkstück zu bearbeiten, musste der Blickwinkel ständig verändert werden. Das Ganze war nur ohne „Brett vor dem Kopf“ zu sehen – eine klare Sache. Sollte es das „Brett vor dem Kopf“ etwa auch heutzutage noch geben, vielleicht gar in der schreibenden Zunft? Wie dem auch sei – die unsichtbaren Brettern des aufgeklärten, leistungs- und zielorientierten 21. Jahrhunderts erschweren den Umgang mit Werk- und Kunststücken beträchtlich..
das „Brett vor dem Kopf“ …
Lehrer Lempel: Ganz oben im Baum der Lehrer Lempel mit erhobenem Zeigefinger – ein Motiv aus dem vorletzten Jahrhundert. Dazu ein Zitat aus „Max und Moritz“ 4.Streich von Wilhelm Busch aus dem Jahre 1865:
Also lautet ein Beschluß:
Daß der Mensch was lernen muß.
Nicht allein das Abc
Bringt den Menschen in die Höh,
Nicht allein im Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen;
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muß man mit Vergnügen hören.
Thomas Rees, 28.7.2008
Transport und Einweihungsfeier
weiteres unter: http://www.freiburg-schwarzwald.de/deslehrerstraum.htm
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