Thomas Rees verwandelt Baumruinen in Skulpturen, die nicht nur die Fantasie erregen
Verwachsen, morsch und wertlos – Holz, das keiner mehr will, ist Thomas Rees am liebsten. Der Künstler aus Freiburg-Kappel schnitzt Historisches, Mythisches, aber auch Gedanken zur Gegenwart aus Baumruinen. Was mitunter Diskussionen auslöst. Beim Freiburger Waldhaus wird nun ein Pfad mit Rees’schen Wald-Menschen eröffnet.
In Ballrechten-Dottingen gab’s Ärger:
„Des Lehrers Traum“ gefiel den Pädagogen der dortigen Sonnenberg-Schule zunächst gar nicht. Ein „gruseliges“ Lehrerbild zeige die Baum-Skulptur, schimpfte die Schulleitung noch bevor das Kunstwerk, das die Gemeinde der Schule zu ihrem zehnten Geburtstag schenken wollte, fertig war. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet – zumal, wie so oft bei den größeren Werken von Thomas Rees, der Pauker mit dem berüchtigten Nürnberger Trichter ja nur eines von mehreren Motiven an „Des Lehrers Traum“ ist, den Rees als „Zeitreise durch das Bildungssystem“ angelegt hat. Die Inspiration aus der Geschichte liegt für den 49-jährigen Künstler nahe. Schon wenn er das Alter eines Baums bestimmt, beginnt es im Kopf zu arbeiten: Was geschah im Laufe seines Lebens, das ja die Lebensspanne eines Menschen meist bei weitem übersteigt? Eine Frage, die sich Rees auch bei dem Baum gestellt hat, von dem „Des Lehrers Traum“ stammt. Denn die Schulskulptur ist der obere Teil der „Gerichtseiche“, die am Ballrechten-Dottinger Castellberg steht und die Rees ebenfalls gestaltet hat – sein bislang größtes Projekt mit eine Fülle historischer, aber auch mystisch-mythischer Details. Vor allem die sind es, die bei manchen Erwachsenen Stirnrunzeln hervorrufen. Das mache den Kindern Angst, heißt es dann, berichtet Rees, der sich selbst wohl immer noch am meisten über diese Reaktionen wundert. Angesicht dessen, womit Kinder heute schon in zartem Alter über die Medien konfrontiert werden, kann man Rees‘ Kopfschütteln verstehen. Tatsächlich gingen Kinder völlig unbefangen mit seinen Werken um, berichtet der Vater zweier Töchter. Die Welt seiner Skulpturen ist ihnen vermutlich näher als so manchem fantasieschwachen Erwachsenen. Zumal Thomas Rees mit seiner Kunst ein Spiel weiterspielt, das viele Kinder lieben, wenn sie mit ihren Eltern im Wald spazieren gehen: Dieser Baumstumpf da – sieht er nicht aus wie ein alter Waldschrat? Und jener knorrige Ast – wie ein fliegender Drache? Die Metamorphose vom Fundstück aus der freien Natur zur – mal mehr, mal weniger bearbeiteten – anschaulichen Figur, die sich im Wechselspiel mit ihrer Umgebung, mit Tages- und Jahreszeit immer neu und anders präsentiert, gelingt Rees in vielen Fällen ausgesprochen eindrucksvoll.
Skulpturen aus dem „Tal des grünen Wassers„: Eine ganze Reihe kleinerer Skulpturen, von denen einige nun auch im Waldhaus Freiburg zu sehen sind, entstanden in Corippo, einem winzig-kleinen, fast verlassenen Dorf in den Tessiner Alpen. Dort hat er, mit tatkräftiger Unterstützung der beiden Töchter und seiner Frau Michaela, das „Tal des grünen Wassers“ erkundet, und aus den Fundstücken – über die Jahre geformt von Wasser, Wind und Wetter – entstanden Jäger, Tänzerinnen, Fabelwesen. Mitunter integriert Rees andere Materialien in seinen Werken. Oft sind das genauso zufällige Fundstücke wie die Hölzer: eine rostige Kette, kurios geformte Steine, Pilze, zerbrochenes Glas, ein alter Schuh.
Im heimatlichen Freiburger Raum muss Thomas Rees inzwischen nicht mehr unbedingt selbst fündig werden. Der Künstler, der sich mit einem Job in der Telekommunikationsbranche eine gewisse Unabhängigkeit von finanziellen Zwängen bewahren kann, ist vielen Forstleuten in der Region inzwischen bekannt. Mit zunehmender Bekanntheit aber wächst auch der Zeitdruck. Rees‘ Skulpturen, die er mit Motorsäge, aber auch ganz klassisch mit Hammer und Beitel bearbeitet, sind wahre Zeiträuber. Zumal es ja auch noch gilt, das eigene Heim in Kappel im Rees’schen Stil auszustatten – bis hin zur Dunstabzugshaube aus Wurzelholz. In manchen Ecken des Hauses wähnt man sich in der Welt von Tolkiens „Herr der Ringe“. Rees schmunzelt – denn die Ähnlichkeit ist ihm selbst erst kürzlich aufgefallen. „Ich hab‘ die Filme letztes Jahr zum ersten Mal gesehen.“ Heute wird um 14 Uhr der Skulpturenpfad „Wald-Menschen“ beim Waldhaus Freiburg in der Wonnhalde offiziell eröffnet.
3.5.2009, Alexander Huber www.der-sonntag.de